Steiner Wassertag |
Ein vergilbtes Blatt der „Karlsruher Zeitung“ vom 17. Mai 1827,
das im Pfarrarchiv aufbewahrt wird; ferner ein ausführlicher Eintrag
von Dekan Gräbener im Steiner Kirchenbuch des gleichen Jahres und
eine Niederschrift des Bürgermeisters Mößner vom Jahre 1842 geben
uns Kunde von diesem Naturereignis, dem sogenannten „Steiner
Wassertag“. Im Archiv des Rathauses befindet sich eine genaue
Schadensfeststellung, in der alle Bürger namentlich und die von ihnen
erlittenen Verluste im einzelnen aufgeführt sind.
Wie diese Urkunden berichten, zog an dem genannten Tage,
nachmittags zwischen 5 und 6 Uhr, von Nordosten ein Gewitter auf.
Zunächst maß man dem aufziehenden Unwetter keine besondere Bedeutung
bei. Aber im Laufe einer halben Stunde entwickelte es sich zu einem Die ganze Nacht über tobte das Wetter, das besonders
verhängnisvoll wurde dadurch, dass mehrere Gewitter über unserem
Talkessel zusammentrafen. Die Erdgeschosse der tiefer gelegenen
Häuser wurden vollkommen überschwemmt, teilweise wurden auch die
darüber befindlichen Stockwerke in Mitleidenschaft gezogen. Sehr groß waren auch die Verluste in den Stallungen. Wie aus der Schadensliste auf dem Rathaus hervorgeht, gingen 86 Stück Rindvieh verloren, 12 Pferde, 4 Fohlen, 120 Schweine, 2 Schafe und 9 Geißen, also insgesamt 233 Stück Vieh; außerdem natürlich noch viel Kleinvieh und Geflügel. An Gebäuden wurde eine Mühle und zehn Häuser und Scheunen „von Grund aus, ohne nur eine Spur zu hinterlassen“, weggerissen. 72 Häuser wurden mehr oder weniger stark beschädigt. Der ganze Ort wurde durch Anhäufung von Schloßen und Schutt verwüstet, die Lebensmittelvorräte größtenteils vernichtet. Auf den Feldern wurden ebenfalls große Verheerungen angerichtet.
Die Äcker wurden von einer dicken Schlammschicht bedeckt und fast
alle Gewächse durch die Schloßen zerschlagen, „wodurch den
mehrsten Inwohnern ihre Nahrung zu Grunde gerichtet worden und die
Leute in unermeßlichen Schrecken versetzt wurden“. Bürgermeister Mößner berichtet, daß aber durch die Gnade
Gottes in der Folgezeit gedeihliche Witterung geschickt wurde, wodurch
sich manches Nahrungsgewächs wieder erholt habe. Mößner hebt auch
hervor, daß Gott die Herzen der näheren und ferneren Mitbürger
erweckt habe und durch „mildtätige Beysteuer“ die Not für
Nahrung der Menschen und Vieh gelindert wurde. Der Verleger der
"Karlsruher Zeitung", Hofbuchhändler P. Macklot erließ
einen Aufruf an die Leser seiner Zeitung, daß sie helfen möchten,
das Elend schnellstens zu mildern. Die Höhe des gesamten Schadens
wurde auf 117 000.- Gulden geschätzt. Hundert Jahre lang haben die Steiner ihren „Wassertag“ alljährlich am 13. Mai durch zwei Gottesdienste begangen. |